Walsafari bei Húsavík

Sommerbekleidung
Sommerbekleidung

14. Juli 2009

Heute ist super Wetter – um im Bett zu bleiben und zu kuscheln. Ich mache mich fertig für die Walbeobachtung auf See. Die Bucht vor unserer Hütte ist in den Wolken verschwunden, die Berge gleich mit. Leichte Nieselschauer treiben über das Land. Das Thermometer zeigt 7 Grad. Ich ziehe außer der Unterwäsche und den normalen Wandersachen ein wärmendes Flies, eine Regenhose und ein zweites Paar Strümpfe an. Darüber kommen ein Softshell gegen den Wind und eine Regenjacke. Dazu Mütze und Handschuhe. In Húsavík, auf dem kleinen Boot geben sie uns einen gefütterten Overall und eine weitere Jacke gegen den Regen. Drei Stunden später habe ich eisige Hände, Eisklumpen als Füße und langsam kriecht eine zittrige Kälte unter die Unterwäsche.

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Nußschale
Nußschale

Kaum verlässt die kleine Nussschale von Boot den schützenden Hafen treiben die Wellen ihr Spiel mit ihr. Wir kleines Häufchen Aufrechter sitzen verstreut auf den Bänken an Deck und lassen uns mit dem Wellengang von Steuerbord nach Backbord und zurück schieben. Ein Unterdeck gibt es nur für die Mannschaft und die Overalls. Die Besatzung, ein alter bärtiger Brummbär und zwei vor Leben sprühende junge Frauen, erzählen uns, dass dieser Wind schlecht für die Wale wäre. Außerdem wäre dies die erste Fahrt des Tages, weshalb sie noch nicht wüssten, wo die Wale heute wären. Die Hoffnung treibt uns aufs Meer. Das Boot schaukelt, leicht wäre leicht untertrieben. Ein ums andere Mal verschwindet der Horizont hinter der Reling, und wir blicken in die trüben, nassen Wolken. Nur um gleich darauf auf die dunkle See hinunter zu starren. Wer sich nicht irgendwo festkrallt wird hin und her geschleudert. Ein stämmiger Mann springt auf, beugte sich über die Reling und füttert die Fische. Die freundlichen Mädchen fragen uns ein ums andere Mal, ob wir o.k. seien oder „sea sick“.

Langsam ahne ich die Wellen und die Reaktionen des Bootes. Erst summt der Motor leiser und nimmt die Fahrt aus dem Boot, dann sieht man die hohe Welle, manchmal sind es auch zwei, erst geht es hoch, dann runter, oft peitscht eine Gischt salzigen Nordmeerwassers über das Boot, dann schiebt uns der Motor von neuem durch die See. Es ist nur windig, nicht stürmisch. Es ist Sommer, Hochsommer. Ein kalter Wind drückt uns den Regen ins Gesicht. Eisige Nadelspitzen stechen die Haut. Ich bewege langsam die Zehen, gegen die schmerzende Kälte. Die Wolken senken sich tiefer, die Ufer verschwinden. Es gibt nur noch uns, unser Boot und das Meer. Dann sind wir da, wo die Wale gestern waren. Heute ist nicht gestern.

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Wir kämpfen uns weiter durch die nördliche See. Scheinbar ziellos geht es bald nach links, bald nach rechts, bald woanders hin. Irgendwann heißt es, man hätte Wale gesichtet. Minuten vergehen. Zwei der drei Stunden sind um. Die Handschuhe sind durchnässt und haben ihre Schutzfunktion aufgegeben. Die Hände drinnen sind kalt, steif und sicher blau. Es geht auch ohne Wale! Lasst uns zurückfahren, ich bin mir sicher, das geht nicht nur mir durch den Kopf. Plötzlich, auf elf Uhr soll ein Pottwal sein. Mühsam erinnere ich mich. Vorn ist zwölf Uhr, hinten sechs Uhr. Dann ist der Wal tatsächlich knapp links neben der Bootspitze zu sehen. Seine Schwanzflosse, die Fluke taucht gerade in die See. O.k., es gibt hier Wale. Das war nicht sehr eindrucksvoll, ganz anders als in Filmen und im Prospekt. Aber immerhin, wir haben einen Wal gesehen!

Dann ist der Augenblick da. Zum Greifen nah neben dem Boot taucht ein zweiter Pottwal auf. Zuerst sieht man seinen Blas, die ausgestoßene Atemluft nach dem Tauchgang. Die kleine Fontäne markiert, wo er ist, früher zur Freude der Walfänger. Der Wal ruht einen kurzen Moment, deutlich sehen wir den gekrümmten Rücken neben unserem Boot liegen. Er taucht ab, majestätisch schwingt sich seine Fluke in einem eleganten Bogen empor, bis der Wal senkrecht nach unten in die Tiefe entschwindet, den Kraken entgegen. Wir vergessen Kälte und Schmerzen.

Unsere drei Stunden Walsafari sind um, wir fahren zurück.

Hat es sich gelohnt? Wenn man Wale schon gesehen hat, noch dazu Pottwale, dann kann man sich die Widrigkeiten dieses Wetters gut schenken und auf Sonnenschein warten. Für alle anderen wird der eine Augenblick, in der die Flosse hoch empor ragt und dann fast lautlos ins Wasser gleitet, unvergessen bleiben. Es gibt wenig in der Natur, dem diese Eleganz zu eigen ist. Wieder in unserer Hütte nehme ich einen Kräuter gegen die Übelkeit und verschwinde für eine Stunde im Bett unter zwei Zudecken, bis mir wieder so leidlich warm ist.

Damit dieser Beitrag nicht ganz ohne Wale bleibt, hier ein kleiner Werbefilm über Walsafari in der isländischen Hauptstadt der Walbeobachtung. So hatte ich es mir vorgestellt, so ähnlich hatte ich es in Norwegen schon erlebt:

http://www.youtube.com/watch?v=RIiP7MoAUTE

Am Nachmittag bereiten wir unsere morgige erste Tour ins richtige Hochland vor. Mit drei Flussdurchquerungen. Dann legen wir uns in die warme Sole des Myvatn Naturbades in Reykjahlíð. Die Temperatur dürfte bei 40 Grad liegen, manchmal sogar darüber. Ich werde endlich (!) an diesem Tag richtig  warm. Das Wasser ist ölig, Schwefelgeruch liegt über dem Bad, vom Wasser steigen dampfende Schwaden auf. Jetzt sind wir uns sicher, woher der faulige Geruch des heißen Wassers in unserer Hütte kommt. Wir liegen oder besser hocken in dem wohlig warmen Wasser des Bades, vergessen den Geruch und lauschen dem sächsischen Geplapper um uns herum. Man kann kaum besser entspannen. Man kann hier nicht wirklich schwimmen, dazu ist es zu flach. Man kraucht durchs Wasser, bleibt mal hier, mal dort, schwatzt ein wenig, oder schließt die Augen und denkt an nichts. Die Vulkanasche auf dem Grund des warmen Wassers aus 2.500 m Tiefe gibt ein wunderbares Peelingmittel ab. Da lässt man gern die dunklen Wolken über einen hinweg ziehen. Kälte? Die kann doch uns nichts anhaben!!!

Naturbad Myvatn I
Naturbad Myvatn I
Naturbad Myvatn II
Naturbad Myvatn II
Dampfbad
Dampfbad
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