Freilichtmuseum Gamle Bergen – ein überaus lebendiges Museum

5. Juli 2016

Das Freilichtmuseum Gammel Bergen kennen wir noch nicht. Deshalb nutzen wir unseren Bergen-Aufenthalt in diesem Jahr für einen Besuch – und entdecken mehr als ein Museum voller alter Häuser und Sachen und umständlichen Erklärungen. Viel mehr. Unser Besuch wird zum Erlebnis.

Spaziergang durch Gammle Bergen

Mit dem Bus kommt man bequem von Bryggen zum Museum Gammle Bergen. Zunächst schlendern wir ein Stück die Hauptstraße hinauf undbewundern das rekonstruierte Stadtmilieu mit rund 50 Holzhäusern aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert. Wir blicken in Privathäuser, in einen Kaufladen, eine Bäckerei und bewundern so manches altes Mobilar.

Gamle Bergen
Gamle Bergen I

Mitten in die lebendige Vergangenheit hinein

In einem Haus, das früher einem Handelskaufmann gehörte, empfängt uns eine junge Dame in zeitgenössischer Kleidung und gibt ganz die Hofdame. Ohne jede Vorwarnung. Sie empfängt uns in ihrer guten Stube. Sie erklärt uns (in Englisch), wo ihr Ehemann gewöhnlich sitzt und die Zeitung liest, und wo sie bei ihren Handarbeiten. Schließlich führt sie uns eine Art kleines Grammophon vor, das aus Deutschland, aus Hamburg stammt. Überhaupt ist sie stolz, was sie sich alles leisten können. Der Hausherr ist indess in der Küche. Dort erklärt er uns einige Utensilien, z.B. einen Stuhl, der auf unterschiedliche Höhen umgeklappt werden kann.

Mit beiden gemeinsam gehen wir ins Esszimmer. Der Hausherr zeigt stolz auf seinen Platz am Tisch mit Blick auf ein Bildnis des Königs. Seine Frau sitzt ihm gegenüber, die Kinder auf den je zwei Stühlen an der Seite. Das Personal ißt selbstverständlich in der Küche. Was sie denn so essen? Fisch, vor allem Fisch. Am Wochenende gibt es auch mal Fleisch. Aber vor allem Fisch, Fisch, Fisch. Mit dem Hinweis, dass demnächst der Zahnarzt empfängt, entlässt er uns.

Zahnarztpraxis vergangener Jahrzehnte und Jahrhunderte

Zentraler Platz mit Arztpraxis in Gamle Bergen
Zentraler Platz mit Arztpraxis

Kurze Zeit später taucht der vorherige Schauspieler tatsächlich als Zahnarzt auf dem kleinen, zentralen Platz ganz in der Nähe wieder auf. Er erklärt uns seine Profession und dass er Freiwillige für die Vorführung sucht. Die Zuschauer zögern. Da taucht eine Mutter auf, die ihre Tochter hinter sich herzieht. Die Tochter hält sich die Backe. Beide gehen in das Haus, in dem inzwischen der Zahnarzt verschwunden ist. Kurz darauf taucht eine andere Schauspielerin auf, die als Art Kräuterfrau auf die Konkurrenz durch den Zahnarzt schimpft und die Anwesenden mit Kandiszucker lockt. Oben beim Zahnarzt ist inzwischen ein lauter Schrei zu hören. Kurz danach taucht der Zahnarzt am Fenster auf und hält triumphierend eine Zange mit einem Zahn in die Luft. Das junge Mädchen rennt aus dem Haus, ein blutiges Tuch an den Mund gedrückt. Die Mutter hinter her. Dann der Zahnarzt, der bedauert, dass er den falschen Zahn erwischt hat. Die Mutter muss trotzdem zahlen. Gezogen ist gezogen.

Alte Zahnarztpraxis in Gamle Bergen
Alte Zahnarztpraxis VI

Danach trauen auch wir uns hoch in die Räume des Zahnarztes.

Dort erklärt uns der “Zahnarzt” ausführlich die verschiedenen Gerätschaften und Zahnarztstühle verschiedener Epochen. Wir erfahren, wie nach und nach die Instrumente feiner wurden. Während die Stühle und die Anordnung der Instrumente selbst schon Ähnlichkeit mit unseren heutigen Einrichtungen haben, wirkt der mechanische Antrieb des Bohrers, der einem Spinnrad gleicht und offenbar mit dem Fuß bewegt wird, doch recht abenteuerlich an. Die dicke Spritze möchte man nicht wirklich spüren. Immerhin scheint es aber schon vor über 100 Jahren Kronen gegeben zu haben.

Schon gut, dass wir heute leben.

Einrichtungen und Gerätschaften verschiedener Stilepochen

Scherenschnitte vs. Fotos
Scherenschnitte vs. Fotos

Wir besichtigen noch die anderen Häuser, die Redaktion von Bergens Tidende, eine Buchdruckerei, eine Nähstube. Auch einen Kolonialwarenladen. Dort empfängt uns wieder eine junge Dame, die den Laden gemeinsam mit ihrem Mann betreibt. Es gibt sogar CocaCola. Doch die ist sehr teuer, weil aus Amerika.

In einem anderen gutbürgerlichen Haus eines Beamten sitzt die Dame des Hauses und legt sich die Karten. Auf meine Frage, ob ich ein Foto machen dürfe, erklärt sie: „Natürlich, auch wenn ich nicht weiß, was das ist.“ „So etwas wie Malerei, nur besser“, erkläre ich ihr. Sie: „Wir bevorzugen Scherenschnitte/Silhuetten“, und verweis tatsächlich auf einige Scherenschnitte an der Wand hinter hier.

Die Schule kann man leider nur durch einen Blick durchs Fenster sehen. An der Tafel steht „Stille“ und „Exsamen“. Wir hätten zu gern noch einen Lehrer alter Schule erlebt. Aber auch so verlassen wir Gamle Bergen mit dem Gefühl, etwas Interessantes sehr anschaulich vermittelt bekommen zu haben. Wer in Bergen ist und Bryggen und Fløyen schon gesehen hat, dem ist Gammle Bergen unbedingt zu empfehlen.

Gemütliche Sitzgelegenheit
Gemütliche Sitzgelegenheit

Blick auf Bergen und Byfjord

Bevor wir die Gegend jedoch endgültig verlassen schlendern wir noch auf eine kleine Anlage direkt am Museum, von der aus man eine herrliche Aussicht auf Bergen und den Byfjord hat.

Wir selbst verlassen am nächsten Tag die Stadt.

Schöne Aussicht auf Bergen
Aussicht auf Bergen II
Schöne Aussicht auf Bergen
Aussicht auf Bergen III
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