Námaskarð, Hverfjall, Myvatn
12. Juli 2009
Unser Ziel ist heute die Gegend um den berühmen Myvatn, den Mückensee. Vor allem reizt uns Námaskarð, eines der bekanntesten Geothermalgebiete Islands. Vielleicht schaffen wir es ja auch noch auf den Hverfjall, einen eindrucksvollen Krater eines (hoffentlich) erloschenen Vulkans. Dorthin fahren wir zunächst wieder durch eine Landschaft, braun und grau und fahl wie Asche. Manchmal, manchmal bringen lilablaue Lupinenfelder Farbe in die Landschaft. Am Myvatn wenden wir uns zunächst nach Osten und erreichen Námaskarð.
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Busladungen von Touristen sind schon da, die sich zum Glück in dem Gelände verteilen. Námaskarð ist ein Muss! Fumarole, Solfatare, Schlammtöpfe, Schwefelablagerungen – alles, was sich der auf vulkanische Aktivitäten Neugierige nur wünschen kann. Man sollte jedoch auf den markierten Wegen bleiben, denn die Erdoberfläche ist hier dünn, und darunter ist es 80 bis 100 Grad heiß. In einigen der Löcher blubbert der Schlamm in großen Blasen, in anderen zerspritz er in hunderte Tröpfchen. An einigen Stellen entweicht Gas unter hohem Druck aus kleinen Erdhaufen. Es zischt wie bei einer geplatzten Gasleitung. Die Fahnen von Dampf wehen hundert Meter weit. Ist zischt und brodelt – und stinkt. Man glaubt gar nicht, wie widerlich unsere schöne Erde stinken kann. Nach Schwefelsäure, nach verfaulten Eier und nach dem Teufel. Den Gestank werden wir den ganzen Tag nicht mehr los.
Sie stinkt, die Erde, aber sie stinkt in faszinierenden Farben. Schwefel und Salpeter haben wahrhaftige Orgien von Ocker und Gelb, von Grün und Rot in die Landschaft gezaubert. Gegen die schwarzweißen Landschaften der Umgebung eine Explosion der Farben. Giftiges Grüngelb mischt sich mit beruhigendem Ocker und Rot zu den skurrilsten Strukturen. Jeder abstrakte Maler müsste vor der Kunst der Natur den Hut ziehen.
Als die Bustouristen nach 20 Minuten wieder in ihren Bus steigen, nehmen wir uns die Zeit für eine Wanderung über den Gipfel des Schwefelbergs, über Námafjall. Auch hier die schrillen Farben, der weiße wehende Dampf und der eklige Gestank. Trotzdem, der Faszination kann man sich nicht entziehen.
Doch nicht nur bunt, auch schwarz beeindruckt Island. Ganz in der Nähe der dampfenden, blubbernden und stinkenden Erde liegt der Vulkan Hverfjall, dessen Krater vor ca. 2.500 Jahren seine heutige Gestalt annahm. Weit ins Land bietet seine charakteristische Form Orientierung. Wir steigen direkt vom Fuße des Berges einen steilen Weg hinauf, und umwandern den gesamten Gipfel. Einmal um den Rand eines Vulkankraters, ein Walk on the Moon. Hier hat der Botaniker nichts zu tun. Schwarz in Schwarz entfaltet seine Eleganz. Die Landschaft lebt vom geschwungenen Rand des Kraters, dem Kegel in der Mitte und den vom Regenwasser eingegrabenen Strukturen. Einmal rund um den Vulkan, mit herrlichen Blicken ins Umland über den Mückensee und zum Schwefelberg.
Vor dem Moonwalk on the Crater waren wir an einer warmen Erdspalte, an Grjótagjá. Man bekommt Respekt vor den Kräften der Natur, die in der Lage sind, den Felsen auf einer Länge von vielleicht einem Kilometer aufzureißen und nach oben zu wölben. Das um so mehr, als wir später auf einer Postkarte eine ähnliche Spalte ganz in der Nähe sehen, aus der das Feuer schlägt. 1985. Unter „unserer“ Spalte liegen Höhlen, in denen sich das Wasser gesammelt hat. Das Wasser ist aber nicht kalt, und die Höhle lässt einen nicht frösteln, wie man das aus sonstigen Erfahrungen her erwarten würde, sondern es ist warm. Das Wasser ist mit 50 Grad sogar zu warm zum baden. Früher war es nur 40 Grad warm, und die Einheimischen nutzten das kostenlose warme Volksbad.
Nach dem Krater zu den Pseudokratern. Ihre Entstehung ist anders, ihre Formen sind kleiner, dennoch erkennt man die Miniatur des großen Schwarzen. Gasexplosionen haben diese Krater geformt. Am westlichen Rand des Mückensees, an dessen Ufern sich die Singschwäne auf den Wellen wiegen, fahren wir zurück. Wieder zu Hause beobachte ich noch einmal die Seevögel des Brutgebietes, keine hundert Meter von unserer Hütte entfernt. Mir scheint, die Vögel sind noch aggressiver als sonst. Eine Möwenart alarmiert aus großer Höhe zeternd die anderen. Ein Pärchen Seeschwalben setzt darauf hin zum Sturzflug auf den Kopf an. Laut krächzend und klackend ziehen sie knapp über den Haaren wieder hoch. Eine dritte, kleinere Vogelart fliegt derweilen Runde um Runde um den Kopf. Vielleicht sind heute die Jungen geschlüpft …
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[audio:https://unterwegsblog.de/wp-content/uploads/2009/09/Angriff-der-Moewen.mp3] (Länge: 0:12 Min.)
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