Seltún, KrýsuvÃk und Strokkur
22. Juli 2009
Der letzte volle Tag in diesem Land voller Wunder. Am meisten interessieren uns bei unserem ersten Aufenthalt die geothermischen Phänomene. Ihnen soll auch der letzte Tag gehören. Wir fahren entlang der Küste der Halbinsel Reykjanesskagi, nach Seltún bei KrýsuvÃk. KrýsuvÃk liegt zwischen den Städtchen GrindavÃk und Hafnarfjörður. Noch einmal wollen wir das leise köchelnde Wasser, den blubbernden Schlamm und die zischenden Solfatare, die weißen Dampfwolken mit ihrem unvergleichlichen Gestank erleben. Zuvor aber machen wir auf einer kleinen Wiese mit Meerblick Rast. Ãœber uns und neben uns fliegt eifrig eine Seeschwalbe nach der anderen mit Nahrung für ihre Kücken vom Meer zu den hinter uns gelegenen Brutstätten in den Felsen. Das Schild am Ausgang von Grindavik, das die Autofahrer vor tief fliegenden kreuzenden Vögeln warnte, ist offenbar kein Scherz. Ich versuche eine Möwe nach der anderen mit dem Fotoapparat einzufangen, aber dem schnellen Flug der Seeschwalbe bin ich nicht gewachsen. Als wir gerade weiter fahren wollen entdecken wir auf der gegenüberliegenden Straßenseite, gleich am Beginn der flachen Vogelfelsen eine Möwe, die gerade ihr Junges füttert. Natürlich wollen wir das flauschige, erdfarbene Kleine filmen. Während das sich rasch hinter einem kleinen Erdhügel duckt, greift mich die zeternde Mutter an, ein ums andere Mal fliegt sie im Sturzflug auf meinen Kopf zu, um im letzten Moment wieder nach oben zu ziehen. Lautstark lässt sie dabei ein Klack-Klack erklingen. Wir lassen sie uns ihr Jugens in Ruhe und fahren weiter.
In Seltún finden wir tatsächlich alles an geothermischen Effekten, was wir heute noch einmal sehen wollen. Während wir gerade losgehen und Videokamera und Fotoapparat in Stellung bringen, kommen zwei Busse mit Jugendlichen an. Sie gehören offenbar zu einem (vermutlich kirchlichen) Jugendtreffen, das wir schon in ReykjavÃk bemerkt hatten. Dem ersten Bus gehören Italiener an, die sich laut singend und jubelnd durch die Landschaft bewegen. Das ist zwar für jemanden, der ruhig filmen will, nicht gerade erbaulich, aber was soll’s. Die Fröhlichkeit der jungen Menschen hat auch etwas Ansteckendes. Ganz anders die zweite Busladung. Die jungen Franzosen sind ebenso lautstark. Dazu verlassen sie die vorgezeichneten Wege. Offenbar können sie nicht Englisch. Groß steht dangerous auf einem Schild am Beginn des Gebietes. Der Boden ist hier um 100 Grad heiß. Wir haben gesehen, wie stark der Boden in der Nähe der Löcher unterhöhlt sein kann. Die jungen Leute bringen sich in extreme Gefahr. Unbekümmert treten sie an die Löcher, messen mit der Hand die Temperatur oder posieren für Fotos. Aber nicht nur, dass sie sich in Gefahr bringen, sie zertrampeln auch ein Naturressort. Sie sind aber nicht die einzigen, wie man an den tiefen Fußspuren in der bunt gefärbten Erde sieht. Mag es auch oberlehrerhaft klingen, aber jugendliche Unbekümmertheit ist etwas anderes als Dummheit, Egoismus und Ignoranz. Zum Glück geht alles gut aus.
Wir finden, was wir suchten und einiges mehr. Am interessantesten ist eine kleine Hügelkuppel, die wie aus einer anderen Welt wirkte. Eine Seite ist blau gefärbt. Jedenfalls für mich ist blaue Erde nicht normal. Andere Stellen sind erdgrau mit giftig-gelben Einsprengseln. Eine Seite ist in einem kräftigen Braun. Alle diese Farbpracht wird durch ein Muster durchzogen, wie man es von vertrocknetem Erdreich kennt.
Von Seltún fahren wir nach Gunnuhver, einem Thermalgebiet, das vor allem zur Energiegewinnung genutzt wird. Das Gebiet ist jedoch wegen der zu großen Gefahr weiträumig abgesperrt. Wir fahren deshalb schon bald weiter zum nahe gelegenen Vogelfelsen und sehen ein wenig den Möwen zu. Danach geht es zu einer merkwürdigen schwarzen Spalte in der Landschaft. Links und rechts ragen dunkle Felsen auf, unten am Grund liegt schwarzer Sand. Über diesen Graben spannt sich eine kleine Brücke. Diese kleine Brücke verbindet zwei Kontinente. An dieser Stelle treffen die eurasische und die amerikanische Erdplatte auf einander. Das ganze Gebiet ist hochgradig vulkanisch aktiv, der nächste Ausbruch nur eine Frage der Zeit, auch wenn es noch Jahrhunderte dauern sollte. Natürlich laufen auch wir über diese symbolische Brücke, obgleich die Straße, der wir weiter folgen, denselben Effekt hat. Aber zu Fuß ist selbst erfahren.
Auf dem Nachhauseweg fahren wir noch beim Geysir vorbei, uns verabschieden. Ich versuche noch einmal, den unmittelbaren Ausbruch zu fotografieren. Als wir uns entschieden haben, noch einen letzten Ausbruch in Ruhe anzusehen und ganz in uns aufzunehmen, erleben wir ein besonderes Schauspiel. Das Butterfäßchen, Strokkur, bricht nicht nur einfach aus, um dann 8 bis 10 Minuten zu schweigen, sondern schafft es viermal unmittelbar hintereinander, seine Wasser hoch in die Luft zu schleudern. Ein fünftes Mal folgt kurz darauf. Wir fühlen uns, als wollte Strokkur selbst Auf Wiedersehen sagen. Er steckt alle seine Kraft in unseren Abschied.
Abend im Ferienhaus – na klar – selbstverständlich, steigen wir noch einmal in unseren Hot Pot. Zwar ist der Himmel über uns Wolkenverhangen, zwar nieselt es leicht, aber in der Ferne ist in seltener Klarheit der bekannteste und aktivste Vulkan Islands, der Hekla zu sehen. Es ist schön hier!
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