Weimar: Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Haus am Horn und Park an der Ilm

23. April 2011
Nach unserem gestrigen Rundgang durch Weimar mit Besichtigung des Goethehauses schlafen wir länger als geplant, und eigentlich ist es nur so eine Idee auf dem Weg in die Altstadt. Wir fragen bei der Herzogin Anna Amalia Bibliothek nach – und erwischen doch tatsächlich Karten für 12:30 Uhr. Zwei von zweihundertfünfzig für diesen Tag. Unglaublich!
Herzogin Anna Amalia Bibliothek – Die schönste Bibliothek Europas
Jeder Reiseführer empfiehlt, sich die Karten Monate im Voraus zu bestellen. Oder sich wenigstens eine Stunde vor der Öffnungszeit um 9:30 Uhr anzustellen, um eine der täglich 70 freien Karten zu ergattern. Als wir gestern nachfragten, hatte man uns empfohlen, es am Montag zu versuchen. Viele wüssten nicht, dass ausnahmsweise an diesem Montag, dem Ostermontag offen ist.












Die Wartezeit bis 12:30 Uhr vertreiben wir uns mit einem Bummel zum Deutschen Nationaltheater. Und noch einmal haben wir, wie wir glauben, großes Glück. Tatsächlich sind noch Karten für heute Abend erhältlich. Wir kaufen zwei, und sind pünktlich zurück an der Anna Amalia Bibliothek, nehmen den Audioguide in Empfang und begeben uns auf Entdeckungstour in Europas schönster Bibliothek. Was zuerst in unseren Ohren nach Eigenlob der Bibliothek klingt, das glauben wir mit Betreten des berühmten Rokkokosaales sofort. Doch es sind nicht in erster Linie die beeindruckenden ledergebundenen Folianten in den Regalen, nicht die reiche, golden wirkende Ornamentierung, auch nicht die vielen Büsten die uns zu diesem Urteil verführen. Es ist die Harmonie des ganzen Raumes, die einen unbeschreiblichen Eindruck erzeugt. Der ovale Raum im Raum ist durchbrochen durch Gänge und hohe Regalteile, die alle Licht ins Innere lassen. Groß wirkt der Raum vor allem durch seine Höhe. In jedem Winkel, in jeder Etage warten neue, das Auge überraschende Anblicke. Mich beeindrucken vor allem drei Kunstwerke. Zum einen die berühmteste aller Schillerskulpturen. Dem stürmischen Blick ins Ferne, der hochaufragenden Stirn, der ganzen edlen Erscheinung nimmt man die Ode an die Freude ab. So muss ein Mann aussehen, der solche Verse schreibt! Zum anderen das Gemälde, das Goethe mit seinem Schreiber in seinem Arbeitszimmer zeigt. Gerade hat er das Diktat unterbrochen, gleich wird er fortfahren, druckreif zu diktieren. Nachdem wir gestern in diesem Arbeitszimmer gestanden haben, wirkt das Gemälde um so lebendiger auf mich. Und drittens ist da der überdimensionale Kopf des alten Goethe. Man sieht die Falten, man spürt die Tiefe der Gedanken. Der stürmischen Frisur entnimmt man die noch immer große Kraft dieses Genius.
Nach der Herzogin Anna Amalia Bibliothek gönnen wir uns eine der berühmten Thüringer Bratwürste. Die mobilen Stände, die wir gestern vergeblich gesucht haben, sind plötzlich wie Pilze aus dem Pflaster gewachsen. An jeder Ecke duftet es herrlich.
Rundgang um Weimar mit Weltkulturerbe Haus am Horn
So gestärkt machen wir uns auf den Rundwanderweg durch den Park an der Ilm. Hinter dem Schloss überqueren wir die Ilm auf der Sternbrücke, steigen die Leibnizallee steil hinauf. Wir kommen am Jüdischen Friedhof vorbei, der schon zu DDR-Zeiten wieder hergerichtet worden war. „Am Horn“ begegnet uns modernes Bauen. Ein Studentenwohnheim ist ein Haus im Haus, was zumindest von außen etwas rätselhaft wirkt. In dem Viertel selbst kann man moderne Einfamilienhäuser nach der Mode des Bauhauses bewundern. Große Fenster lassen sie offen und von Licht durchflutet wirken. Mancher Winkel wirkt praktisch als Überstand der Haustür. Wir steigen ein wenig Richtung Ilm ab, kommen an der malerisch in den Hang gebetten Villa Ithaka vorbei, deren Baumeister Paul Schultze-Naumburg auch Schloss Cecilienhof gebaut hat - und Reichstagsabgeordneter für die NSDAP war.
Dann kommen wir zum Weltkulturerbe Haus am Horn. Wenn auf ein Haus der Spruch quadratisch, praktisch, gut zutrifft, dann wohl auf dieses Haus. Sein Grundriß ist quadratisch, auch sonst macht es einen sehr einfachen gleichmäßigen Eindruck. Innen ist alles sehr praktisch eingerichtet. Die größeren Fenster sind an der richtigen Stelle. Nur die Toilette kommt mir etwas merkwürdig vor. Das Klobecken versteckt sich hinter einer Tür, die man allerdings, wenn man drauf sitzt, nicht schließen kann, so eng grenzt sie an das Becken. Die Küche ist absolut funktional. Nur selten sonst kann man spüren, wie sehr die Form der Funktion folgt. Besonders kommt das Haus an diesem sonnigen Frühlingstag zur Geltung, da seine spartanische Gestaltung mit dem jungen Grün und den Blumen einen herrlichen Kontrast bildet. Der grüne, blühende Hügel erhebt das kleine Haus in den Rang, den es als Ausgangspunkt der Bauhausgeschichte verdient.

















Park an der Ilm
Von der Wärme und den Eindrücken und dem Weg gestresst machen wir einen kurzen Abstecher zum Biergarten Am Horn, der gerade mit unserem Eintreffen öffnet, und erfrischen uns mit Kaffee und Kuchen bzw. Bier. Wir folgen der beschriebenen Route zur Villa Haar, die zwar nett liegt und zu deren Füßen herrliche Obstbäume stehen, die mir aber sonst ein wenig zu düster wirkt. Als Tagungsstätte wie heute sicher gut geeignet, wohnen hätte ich da nicht mögen.



















Endlich sind wir wieder im Tal, auf Augenhöhe mit der Ilm. Wir spazieren den breiten Corona-Schröter-Weg entlang, genießen die weiten Wiesen und die sich darauf tummelnden Menschen und die markanten solitären Bäume. An der nächsten Rast, dem Bienenmuseum, fehlt uns die Muße, um mehr zu unternehmen als nur etwas zu trinken. Wir machen kehrt, überqueren an der Schwankenden Brücke die Ilm und wandern wieder durch den Park an der Ilm Richtung Schloß. Hoch über uns thront eindrucksvoll das Römische Haus, das aus dieser Perspektive römischer wirkt als manches tatsächlich römische Haus. Da die Sonne für Fotos ungünstig steht, beschließen wir, am nächsten Tag noch einmal hier her zum Römischen Haus zu kommen. Für heute begnügen wir uns mit der Rückwanderung und einigen gelegentlichen Ausblicken auf Goethes Gartenhaus. Immer wieder sind es die majestätischen Bäume, in frischem hellen Grün, in hellem Rot oder voller Blüten, die unsere Aufmerksamkeit einfordern und bekommen.


































Zu Abend essen wir im Weißen Schwan, dem Gasthaus Goethes am Frauenplan. Das Essen ist thüringisch gut.
Im Deutschen Nationaltheater Weimar
Dann das Theater. Das Theater in der Folge Goethes und das Geburtshaus der Weimarer Republik sind es schon wert, gesehen zu werden. Nur das Stück sagt uns gar nicht zu. Vielleicht liegt es daran, dass sich nicht jeder Roman eignet auf die Bühne gebracht zu werden, auch nicht jeder Roman von Goethe. Oder daran, dass die Schauspieler mehr vortragen als spielen. Oder an der gar zu modernistischen Ausgestaltung der Bühne und des Stücks, die auf uns sehr gezwungen wirkt? Mich erinnerte das sehr an das heimische Hans-Otto-Theater vor einigen Jahren, dass ich nach einer schrecklichen Verballhornung des Nathan einige Jahre nicht mehr betreten hatte. So bin ich am Ende nicht verwundert, als ich mitbekam, dass die Regisseurin genau dort in dieser Zeit Schauspielerin war. Natürlich mussten hier die Akteure nackt auftreten, was immerhin noch einigermaßen zur Handlung des Stücks passte, sonst aber keinem anderen Zwecke als dem des Skandals und der Aufmerksamkeit zu dienen schien. Der Applaus ist auch recht verhalten.
Für morgen stehen das Römische Haus, vor allem aber Schloss und Park Belvedere auf unserem Programm.
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Bettina
23. Juli 2011 @ 10:46
Liebe Almuth, lieber Andreas,
ich habe gerade, während meines Dienstes, Eure Weimarreise miterlebt und großes Interesse bekommen diese Stadt zu besuchen. Finde die Fotos und Texte ganz toll!!!
Liebe Grüße Eure Bettina