Austerdalsbreen – Ein Gletscher mit Herz
29. Juni 2016
Von Skjolden, wo wir gestern angekommen waren, fahren wir nach Hafslo. Unterwegs machen wir Stopp an der Bakeri (Bäckerei) in Luster, die wir bereits gestern entdeckt hatten. Endlich Zimtschnecken! Ich kaufe mir gleich drei. Zimtschnecken sind eine norwegisch-schwedische Köstlichkeit aus Hefeteig, die wir uns gelegentlich auch zu Hause machen. Wir setzen uns in die Sonne und genießen die Teigwaren. Auch das frische Brot macht einen guten Eindruck. Überhaupt scheint sich die Brotqualität seit unseren letzten Aufenthalten verbessert zu haben.
Hüttensuche vorab
Unser Plan ist, in Hafslo eine Hütte zu suchen und dann noch eine Wanderung zu einem Gletscher zu machen. Der Wetterbericht verspricht eine Mischung aus Sonne, Wolken und ein paar Tropfen. Ideal zum Wandern. Der Plan geht nicht auf. Alle Campingplätze belegt, einer ist geschlossen.
Wir entscheiden uns, damit unsere Wanderung doch noch klappt, erst die Wanderung zu machen und dann eine Hütte zu suchen. Das birgt zwar einiges Risiko, aber das Risiko, den Tag mit Hüttensuche zu verbringen, erscheint uns größer. Auf dem Weg zum Austerdalsbreen, wie der Nigardsbreen und der Austdalsbreen Teil des Jostedalsbreen, finden wir dann doch noch einen kleinen, netten Campingplatz mit einer schönen, gut eingerichteten Hütte. In einem Telefonat mit der Besitzerin ist schnell alles geklärt. Sie will morgen früh vorbei kommen, um die vereinbarten 750 NOK zu kassieren.
Zum Austerdalsbreen
Dann endlich fahren wir zum Austerdalenbreen, nach dem englischen Bergsteigerpionier William Cecil Slingsby (1849 – 1929) die
„finest ice szenery in Europe“ (Feinste Eislandschaft in Europa).
Gesagt wurde das zwar schon 1894 – doch auch heute sieht der Gletscher durchaus beeindruckend aus. Wir wissen das schon vorher, weil wir vor 9 Jahren schon einmal hier waren.
Die letzten Kilometer sind mautpflichtig. In einem kleinen Häuschen entnimmt man einen Umschlag mit einem Blatt drauf zum Beschreiben. Da trägt man Autokennzeichen, Name und Datum ein. Das wird auf den Umschlag durchgedrückt. Den Zettel legt man ins Auto, in den Umschlag legt man das Geld – für PKW 50 NOK – klebt ihn zu und wirft ihn in einen tiefen Kasten.
Bevor wir den Parkplatz erreichen grüßt uns schon der Jostedalsbreen mit gleich drei Gletscherzungen. Wir sind etwas irritiert, weil wir uns erinnern, dass der Austerdalsbreen zwar drei Zungen hat, aber noch ein Stück weiter weg liegt. Außerdem finden wir die angegebene, bewirtschaftete Hütte nicht.
Vom Parkplatz an der Brücke aus versuchen wir erst einen Weg ins Langdalen in Richtung der gesichteten Gletscherzungen zu finden. Das misslingt uns. Wir finden keinen Weg. Also machen wir uns auf den uns schon bekannten, 16 Kilometer langen Weg ins Austerdalen.
Zunächst geht es leicht bergauf und dann am Hang entlang, allerdings durch ziemlich morastiges Gebiet. Als wir das endlich überwunden und in das Tal hinunter gestiegen sind, erwartet uns ein gemütlicher, aber langer, wie geschotterter Weg entlang eines kleinen Baches, bisweilen auch durch den Bach. Umsäumt wird der Weg von Krüppelbirken, Blaubeerpflanzen und Hochgebirgspflanzen, z.B. Orchideen (Knabenkraut). Meist geht der Weg geschwungen und flach durch das Tal. Nur an einigen Endmoränen müssen wir bergauf und bergab wandern. Hier kann man studieren, wie die heimischen märkischen Landschaften einst geformt wurden.
Am Austerdalsbreen – The finest ice szenery in Europe.
Ziemlich am Ende des Tals endet der flache Weg, und wir steigen die Felsen hinauf. Fast oben stoßen wir auf einen Gedenkstein, der auch den eingangs zitierten Ausspruch von 1894 enthält. Noch ein wenig um die Ecke, und dann liegt er uns zu Füßen: Der Austerdalsbreen, der sich in zwei Zungen ins Tal ergießt, die sich dann vereinigen. Rechts der steile Torsbreen, links der Odinsbreen. Doch wo ist die dritte Gletscherzunge? Der Lokebreen ist von der Wanderung aus nicht sichtbar, nur auf Luftaufnahmen.
Die oberen Zungen sind wild zerklüftet und umschließen einen Felsen herzförmig. Ein Gletscher mit Herz. Auf der vereinigten Zunge liegt viel Geröll. Aber nicht so viel, wie wir von letzten Mal in Erinnerung haben. Einzelne Eisschollen sind trotzdem total grau, und man könnte sie auch mit einem Stein verwechseln. Einzelne größere Steine liegen ebenfalls auf dem Eis. Eine Schülergruppe steigt gerade vom Gletscher herunter. Offenbar verbringen sie die Nacht in dem Zeltlager, an dem wir vorbeigefahren waren, und gehen in Begleitung auf Gletschertouren.
Kurz bevor wir den Gletscher wieder verlassen wollen, kommt die Sonne hervor und taucht den Gletscher in ihr goldenes Licht. Also machen wir alle Fotos noch einmal. Dabei faszinieren uns natürlich insbesondere das umschlossene Herz aus Fels und die tiefen, blau schimmernden Klüfte in den höheren Gletscherregionen. Aber auch in dem flach auslaufenden, schmutzigen Teil gibt es hin und wieder blaue Spalten. Besonders stark ist der deren Kontrast zu den grauen, staubigen Eisflächen.
Gefährlicher Gletscher
Wie gefährlich die Eismassen sind, konnten wir kurz nach unserem Eintreffen beobachten. Plötzlich kamen am oberen Teil des Austerdalsbreen einige Eismassen ins Rutschen. Gemessen am Gesamtgletscher mag es verschwindend wenig aussehen. Für denjenigen, den es erwischt, wird es sich anders darstellen.
Rückweg vom Austerdalsbreen
Auf dem Rückweg finden wir noch eine liegen gebliebene Jacke, die wir der Eiskletterergruppe in ihr Camp mitnehmen. Tatsächlich findet sie ihren Besitzer wieder. Bei der Rückfahrt mit dem Auto aus dem Tal müssen wir plötzlich stoppen. Ein Jeep mit Warnblinkzeichen kommt uns rückwärts entgegen und versperrt dann den Weg. Wir warten eine Weile, dann fährt das Auto beiseite und wir können vorbei. Vermutlich hängt der Stopp mir dem Bau eines neuen Tunnels etwas weiter abwärts zusammen. Da sind große Baumaschinen noch am rangieren, als wir vorbeikommen.
Am Abend in der Hütte taucht überraschend die Besitzerin auf, die auf dem Weg zur Arbeit vorbeischaut und ihr Geld kassieren will. Sie arbeitet als Krankenschwester in der Omsorgtstasjon in Hafslo.
Morgen stehen ein Weltkulturerbe und eine Fahrt durch einen der schönsten Fjorde Norwegens auf unserem Programm.
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