Kjerag und Kjeragbolten am Lysefjord
21.6.2016
Wir wollen auf den Kjerag zum Kjeragbolten. Gestern sind wir von Stavanger nach Lysebotn am Ende des Lysefjords gekommen. Am Morgen gehen unsere bangen Blicke zum doch recht bezogenen Himmel. Es gibt eine geschlossene Wolkendecke, aber kaum dunkle Wolken. Aber am wichtigsten ist: Die Berge, auf die wir wollen, liegen frei. Also beschließen wir, heute den Aufstieg anzugehen.
Beim Frühstück zuvor treffen wir die Basejumper, die sich anschließend sammeln, um mit dem Bus an den Beginn des Aufstiegs gebracht zu werden. Leider haben wir keine Gelegenheit, sie beim Sprung zu beobachten. Oder auch besser so. Uns reichen Videos wie dieses hier:
Aufstieg auf das Felsplateau Kjerag
Wir fahren etwas später selbst die Sperpentinenstraße wieder hinauf, die wir gestern hinunter gefahren sind, und stellen das Fahrzeug auf dem gebührenpflichtigen Parkplatz ab. Eine Infotafel beschreibt die bevorstehende Tour so:
Der Wanderweg zum Kjerag ist beschwerlich. Er fängt bei 640 m Höhe über dem Meeresspiegel an, führt uns bei steil ansteigendem Berg bis 825 m Höhe ü.d.M. Und setzt fort hinunter in das üppige Little Stordalen, „kleines Tal“. Danach geht der Pfad, wieder auf einen Bergrücken hinauf, und von dort aus hinab ins Stordalen „grosses Tal“, dem Haupttal hinter dem Kjeragmassiv. Der Pfad Schlängelt sich ein kleines Stück in Richtung Lesefjord. Von dort aus geht es steil aufwärts dem Grat des Kjeragmassivs entlang und über den blankpolieren Granit zur Warte auf dem Nesagilpfel.
Wanderschuhe an, los geht’s. Schon nach wenigen Metern können wir auf dem blanken Felsen Eisenketten als Hilfe nutzen. Von 600 meter over havet (moh. – Meter über dem Meer) am Parkplatz geht es fast stetig hinauf auf 840 Meter. Dann gleich wieder hinab. Durch das folgende Tal geht es sogar auf einer Art gepflastertem Weg entlang. Gemütlich spazieren wir zum nächsten Aufstieg. Wieder geht es steil hinauf, diesmal gleich auf 920 Meter. Wieder sind die Auf- und Abstiege steil und fast durchgehend mit Ketten abgesichert.
Trotz des zurecht als „schwierig“ beschriebenen Aufstiegs treffen wir eine junge Familie mit einem Säugling, einen Mann auf Krücken und mehrere Hunde. Bei letzteren bleibt es uns ein Rätsel, wie diese die steilen, glatten Felsen hochgekommen sind. Wir konnten das nie beobachten, da wir die Hunde immer nur auf den Ebenen getroffen haben.
Auf dem Kjerag
Aber einmal oben auf dem Kjerak gleicht der Rest einem Spaziergang. So anstrengend es bis hierher war, so gemütlich ist der restliche Weg. Vorbei an Meeresaugen, die eher Himmelsaugen gleichen, spiegelt sich doch in ihnen ein immer lockerer Himmel. Zweimal geht es über Schneeflächen. Insgesamt brauchen wir für die 4,6 Kilometer mit viel Fotografiererei über drei Stunden.
Noch eine letzte Schneewehe, dann stehen wir vor unserem Ziel.
Am Kjeragbolten
Magisch hängt der große Stein eingeklemmt zwischen den Felswänden. Zunächst können wir unter ihm nicht viel mehr als Wolken zu sehen. Wir fotografieren wie alle die Leute, die auf dem Stein posieren. Es ist schon ein spektakulärer Anblick. Wir haben jedoch z.T. Angst, zum Teil keine Lust, uns in die Schlange zu stellen, nur um mal auf den Stein zu hopsen. Statt dessen machen wir es uns auf der Plattform gemütlich, die Preikestolen-Feeling zu bieten hat. Nur die Fläche ist etwas kleiner. Ansonsten geht es genauso senkrecht hinab zum Fjord, immerhin fast einen Kilometer. Die Menschen halten einen gewissen Abstand zur Felskante oder legen sich auf den Bauch, um hinunter zu schauen.
Wir genießen die Zeit dort oben. Essen und trinken etwas. Von uns unerwartet bricht plötzlich die Sonne durch. Zwar die Szenerie auch im Wolkendunst durchaus eindrucksvoll, aber mit Sonne wirkt alles noch einmal ganz anders. Unter dem Kjerakbolten, wo vorher nur Nebel und allenfalls blasse Farben zu sehen waren, funkelt jetzt der Fjord türkis. Die Farben der Anziehsachen leuchten. Inzwischen ist auch jemand angekommen, der seine kamerabestückte Drohne kreisen lässt. Das müssen beindruckende Aufnahmen sein. Vielleicht so wie auf diesem Video:
Abstieg vom Kjerag
Heute ist die längste Nacht des Jahres. Die Wolkendecke reißt immer wieder auf. Es wäre bestimmt schön, die magische Stunde am Abend dort oben zu verbringen. Doch das würde unseren Zeitplan ganz schön durcheinander bringen. Also machen wir uns auf den Rückweg. Langsam merken wir es auch in den Beinen und Knien. Immerhin gehören wir zu den Ältesten auf dem Felsen. Die allermeisten sind junge Leute im Studentenalter. Während wir uns schon mal an den großen Stufen etwas auf die Knie abstützen müssen, springen die jungen Mädchen wie Gazellen von Fels zu Fels. Uns nimmt das nichts von dem Vergnügen an der Wanderung. Es ist wunderbar, hier oben zu sein und die Natur zu genießen. Jetzt im Sonnenschein sieht der Kjerag noch ganz anders aus als beim Hinweg mit seiner trüben Stimmung. Gut geschafft und glücklich sind wir wieder auf dem Parkplatz und gönnen uns einen Kaffe im Øygardstølen.
Beim Abendbrot in unserem Camp sehen wir tatsächlich noch einen Paragleiter vom Kjerag herunter kommen.
Aber plötzlich kreist auch ein Hubschrauber über dem Kjarag. Nach einiger Zeit wird etwas herabgelassen und bald darauf jemand an Bord gezogen. Kaum ist die aufgenommene Person an Bord dreht der Hubschrauber ab nach Westen, immer entlang des Lysefjordes. Wir können nur mutmaßen, dass es sich um eine Rettungsaktion für jemanden handelt.
Für uns geht es morgen zum anderen Höhepunkt am Lysefjord, zum Preikestolen.
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