Naumburg: Töpfermarkt, Weinfest, Drehorgelfest und Dom

30. und 31. August 2014
Naumburg mit allen Sinnen
Zum zweiten Mal fahren wir zu Weinfest und Töpfermarkt nach Naumburg. Wir nutzen die Gelegenheit, die schöne Stadt an der Saale mit vielen Sinnen zu genießen: Kulinarisch, ästhetisch, akustisch und kulturell. Eine solche Kombination von Weingenuss und Töpfereiangeboten kennen wir sonst nicht, schon gar nicht zusammen mit mittelalterlicher Hochkultur. Hinzu kommt das Drehorgelfest, das uns vor allem durch das schöne Abschlussbild mit den vielen alten Instrumenten gefällt.
Wir mögen die Weine aus der Saale-Unstrut-Region, wir umgeben uns gern mit schönen Dingen, und wir sind immer wieder aufs Neue von DER Uta begeistert. Kein Wunder also, dass wir wiedergekommen sind und wiederkommen werden.
Töpfermarkt Naumburg

Mehr als 70 Töpfer aus ganz Deutschland warten auf unsere Entdeckung. Auf unseren Kauf natürlich auch. Das gehört sich so auf einem Markt. Der Andrang an Töpfern ist so groß, dass eine Jury eine Auswahl treffen muss. Die Kombination aus Wein und Ton zieht offenbar nicht nur Kunden an, sondern auch Töpfer, und diese wiederum Kunden. Eine Erfolgsgeschichte, hinter der sicher viel Kreativität und Arbeit steckt. Gestartet ist der Töpfermarkt 1992 auf dem Naumburger Marienplatz, doch schon bald – 1998 – musste er auf den Marktplatz umziehen.
Wir schlendern über den Platz, schauen hier, schauen dort. Überlegen das eine und das andere. Wir erfreuen uns an den vielfältigen Formen und Farben, an kreativen und einfach nur lustigen Ideen. Wir treffen eine erste Vorauswahl für den Kauf am kommenden Tag. Einzelnes sichern wir gleich. Wer weiß denn schon, wer alles mit ähnlichen Interessen noch hier vorbeikommt… Zum Glück gibt es auch Stände, an denen man sich stärken kann.























Naumburger Dom

Wenn man in Naumburg ist, ist der Naumburger Dom eine Pflicht, noch mehr jedoch eine Kür. Eine Kür, auf die ich jedenfalls nicht verzichten kann und nicht verzichten will. Ich lernte den Dom und seine weltberühmten Stifterfiguren sowie ihren Schöpfer zuerst durch die Schriftstellerin Rosemarie Schuder kennen. In ihrem historischen Roman „Der Ketzer von Naumburg“ erzählt sie über den namentlich unbekannten Schöpfer der Stifterfiguren so lebendig, dass ich schon vor vielen Jahren extra an die Saale gefahren bin, um sein Werk zu sehen, vor allem aber diese eine Figur, die Uta von Naumburg.

Im Nachhinein mag das ungewöhnlich erscheinen, hatte doch die Autorin eine ganz andere Ambition beim Schreiben ihres Romans:
„Ausgangspunkt für meinen ersten Roman über den Meister des Naumburger Doms war die Feststellung, dass das Wesentliche dort nicht die Figur der Uta ist, die von den Nazis als ein Sinnbild germanischen Wesens missbraucht wurde, so wie der Dom als ein Bollwerk gegen die Slawen gedacht war. Da habe ich mir in Erinnerung an Feuchtwanger gesagt: Ich muss etwas als Entgegnung auf die „germanische“ Uta schreiben.“
Aus einem Interview in der Jüdischen Allgemeinen von 24.7.2008
Mich beeindruckt dennoch bis heute die Uta von allen Stifterfiguren und sonstigen Figuren im Dom am meisten. Ich sehe sie nicht als „germanisch“, sondern als eine erstaunlich moderne Frau.
Doch bevor man zu Uta und den anderen Stifterfiguren gelangt, durchquert man den Westlettner, der ebenfalls eines der Hauptwerke des Naumburger Meisters enthält. In ihm ist die Passion Christi dargestellt, von links nach rechts: das Abendmahl, die Auszahlung der Silberlinge an Judas, die Gefangennahme Christi, die Verleugnung Petri gegenüber der Magd, die Verleugnung Petri gegenüber den Wächtern, Christus vor Pilatus (Handwaschung), die Geißelung (hölzerne Ergänzung, 1737) und die Kreuztragung (hölzerne Ergänzung, 1737)
Ich kann nicht anders, als lange vor dem Lettner stehen zu bleiben und die so lebensnah dargestellten Figuren zu betrachten. Das durch Christus erlebte Leiden, die ganze Dramatik der Handlung springt einen regelrecht an und lässt auch den Atheisten kaum unbeeindruckt.










Wenn man sich dann losgerissen hat, tritt man in den Westchor ein und den zwölf lebensgroßen Naumburger Stifterfiguren gegenüber. Acht Männer, vier Frauen. Alle sind künstlerisch beeindruckend, doch eine Figur zieht immer wieder unweigerlich die Blicke auf sich. Hoch über einem steht sie, das Gesicht vom Mantelkragen leicht verdeckt. Stolz, unnahbar, selbstbewusst, auf unheimliche Art erotisch. Vielen gilt sie als die schönste Frau des deutschen Mittelalters. Der italienische Historiker und Schriftsteller Umberto Eco meinte gar:
,,Wenn Sie mich fragten, mit welcher Frau in der Geschichte der Kunst ich gerne essen gehen und einen Abend verbringen würde, wäre da zuerst Uta von Naumburg.“

Zu verdanken haben wir das einem Mann, über den kaum etwas bekannt ist, dem Meister von Naumburg. Wikipedia würdigt ihn so:
„Der Naumburger Meister ist eine der bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten des hohen Mittelalters. Obwohl er in den Quellen nicht nachweisbar ist, konnte ihm die Forschung aufgrund seines charakteristischen Stiles Bildwerke in mehreren bedeutenden Kirchen zuweisen. Ob er die Skulpturen selbst fertigte oder andere Steinmetzen beteiligt waren, ist nicht sicher zu klären; ebenso unsicher ist, ob er die nach der Mitte des 13. Jahrhunderts entstandenen Meißner Figuren selbst ausführte oder ausführen ließ. Die Tätigkeit des Meisters in Merseburg, Naumburg und Meißen geht eng mit dem Stilwechsel von der Spätromanik zur Frühgotik einher. Innerhalb der ihm und seiner Werkstatt zugeordneten Werke gibt es eine Stilentwicklung hin zur Hochgotik, die sich in Mitteldeutschland um 1260 durchzusetzen beginnt. Diese Entwicklung ist an den letzten in Naumburg entstandenen Werken bereits zu erkennen, etwa an der Kreuzigungsgruppe, und erreicht in Meißen ihren Abschluss. Die Tätigkeit des Meisters zog eine reiche Nachfolge in Mitteldeutschland nach sich.“
Aber natürlich bietet der Dom zu Naumburg noch weit mehr:










































Auf dem Naumburger Drehorgelfest
Wir sind zwar keine großen Fans der Drehorgelmusik, aber hier und jetzt passt sie her. Vor allem gefallen uns die Bilder, die durch die große Zahl an alten und modernen Drehorgeln zur gleichen Zeit am gleichen Ort entstehen.



Auf dem Naumburger Weinfest
Noch ganz beeindruckt von dem Dom und seinem künstlerischen Reichtum schlendern wir wieder in die Innenstadt, konkret zum Holzmarkt. Dort gehen wir im abendlichen Naumburg zum gemütlichen Teil über. Wir ergattern mit einiger Mühe Sitzgelegenheiten für uns. Dorthin tragen wir die eine und andere Weinprobe. Schließlich müssen wir auch hier eine Vorauswahl treffen, was wir morgen kaufen wollen. Die Saale-Unstrut-Weine sind fast alle gut, so dass uns die Entscheidung nicht leicht fällt.



Einkauf und Abschied von Naumburg
Am nächsten Tag besichtigen wir noch etwas die Innenstadt von Naumburg. Sehr beeindrucken uns auch die zahlreichen liebevoll gestalteten und erhaltenen Details an den Häusern:




























Verabschiedet werden wir mit einem kleinen Trompetenkonzert aus dem Turm.
Ganz zum Schluss erledigen wir noch unsere geplanten Einkäufe. Auf dem Töpfermarkt bewährt sich das Überdenken in der Nacht. Wir kaufen nur einige kleinere Teile vor allem zum Verschenken. Schließlich ist es für uns nicht der erste Töpfermarkt, den wir besuchen.
Auf der Rückfahrt fahren wir erst einmal über die Autobahn nach Döschwitz zum Weingut Schulze. Das ist geschlossen, wegen des Weinfestes in Naumburg. Eigentlich. Aber auf unser Klingeln hin empfängt uns doch jemand, erzählt uns viel über die Geschichte des Gutes, über seine Weine und bietet uns Proben an. Auf diese verzichten wir, hatten wir doch bereits am Vortag „geprobt“. Aber wir kaufen ein paar Kisten Wein und fahren zufrieden nach Hause: Diese seltene, vielleicht sogar einmalige Kombination verschiedener Feste in einer schönen alten Stadt mit einem kulturhistorisch beeindruckenden Kirchengebäude macht den Besuch Naumburgs zu etwas ganz Besonderem.
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