Bad Frankenhausen, Panorama-Museum, Kyffhäuser und Barbarossahöhle
30. Oktober 2012
Wir nehmen Quartier in der Alten Hämelei. Es ist ein gemütliches Hotel in einem Fachwerkhaus mit einer ebenso gemütlichen Gaststätte mit regionaler Küche, in der auch Einheimische gern einkehren. Von Bad Frankenhausen bekommen wir nicht viel mehr mit als den schiefen Turm der Oberkirche, der sogar schiefer als der von Pisa sein soll und einsturzgefährdet ist, wie man auf Wikipedia nachlesen kann:
Durch Gips- und Salzauslaugungen ist die Spitze des 56 m hohen Kirchturms um mehr als vier Meter aus der Senkrechten geneigt. Der Turm ist damit nach dem schiefen Turm in Suurhusen der zweitschiefste Turm in Deutschland, hat aber mit 4,45 m auf Grund seiner Höhe den größeren Überhang (Abweichung der Turmspitze vom Lot). Mit 4,76° ist er damit stärker geneigt als der Schiefe Turm von Pisa (lt. Angabe von 2011 auf 3,97°). Wir sehen ihn, wenn wir aus dem Hotel auf die Straße treten.
Das Bauernkriegspanorama von Werner Tübke
Unser Hauptziel ist das Bauernkriegspanorama von Werner Tübke, das größte Gemälde Deutschlands. Mehr noch:
Mit einer Fläche von 1722 m² zählt es zu den größten Tafelbildern der Welt.
Es erinnert u.a. an die Schlacht bei Frankenhausen, die den Deutschen Bauernkrieg entschied. Wir nähern uns dem monumentalen Bau auf dem Schlachtberg langsam. Die Sonne scheint. Wir bewundern die Skulpturen von Lotta Blokker auf dem Vorplatz, genießen die Aussicht, die trotz der diesigen Sicht schön ist. Wir bewundern die Skulpturen auf dem Vorplatz.
Das Panoramagemälde selbst sehen wir uns zweimal an, mit zwei unterschiedlichen Führungen. Selten fand ich die Beobachtung, nach der man sieht, was man weiß, so bestätigt hier. Als wir zuerst den großen Raum mit dem riesigen Gemälde betreten, entdecken wir hier und dort etwas, das wir zu deuten vermögen. Thomas Müntzer auf dem Schlachtberg, der schon die Fahne senkt, obwohl die Schlacht noch im vollen Gange ist. Auch die eine oder andere historische Figur: Luther, Dürer, Fugger. Der Fülle an Figuren, Symbolen und Allegorien stehen wir jedoch wissenslos und ohnmächtig gegenüber. Wir haben das Gefühl, etwas Einzigartiges zu sehen, aber wir verstehen es nicht. Die erste Führung bringt uns eine erste Aufklärung. Der blaue Fisch, der sofort auffällt, wird der Ausgangspunkt für diese Erklärung.
Nach dieser Führung sehen wir uns den Film über die Entstehung des Monumentalgemäldes an. Wir bekommen eine Ahnung davon, wir groß diese Leistung tatsächlich ist. Ich selbst muss immer wieder an Michelangelo und seine Ausgestaltung der Sixtinische Kapelle denken. Beides Titanenarbeiten, beim Panoramagemälde von der Leinwand über die vielen Skizzen in unterschiedlichen Maßstäben bis hin zur jahrelangen Umsetzung. Die unteren Figuren sind bis zu vier Meter hoch. Insgesamt sind es weit über 3000 Menschen, die bis ins Detail gemalt sind. Auch bei der entferntesten Figur, bei der Details kaum noch sichtbar sind, sind genau diese Details bis ins Letzte ausgearbeitet. 1976 begann Tübke mit ersten Studien und Vorarbeiten. Am 7. August 1987 beendete er seine Arbeit, am 16. Oktober setzte er seine Signatur auf das Gemälde. Er hatte das riesige Werk mit nur wenigen Gehilfen, am Ende mit nur noch einem vollbracht. Er selbst musste die Arbeiten wegen eines Muskelrisses im Daumen, der durch die Überanstrengung entstanden war, zeitweilig unterbrechen.
Wir müssen uns, mit dem Wissen aus dem Film versehen, das Gemälde noch einmal ansehen. Wir entdecken ganz neue Sachen, Sachen, die uns zuvor entgangen waren. Und wir dürfen an einer zweiten Führung teilnehmen, die uns ganz andere Aspekte und Figuren aus dem Kolossalgemälde nahe bringt als die erste. Man könnte wohl Tage mit dem Bild verbringen – und immer wieder Neues entdecken. Ich verstehe Tübke, der es immer abgelehnt hat, sein Gemälde zu erklären. Sein Gemälde weißt über den Schöpfer hinaus.
Auf der Seite des Panorama Museums kann man eine Bildsaaltour abspielen, bei der man zumindest einen schwachen Eindruck von dem Monumentalgemälde bekommt. Man kann sich sogar in das Bild hineinzoomen und sich in die Details vertiefen.
Auf dem Kyffhäuser
Blinzelnd treten wir wieder aus dem Dunkel des Museums hinaus in die milde Herbstsonne am Schlachtberg. Es ist gerade früher Mittag, und wir fahren zum Kyffhäuser, zum Kyffhäuserdenkmal und zur Reichsburg Kyffhausen. Das Kyffhäuserdenkmal, immerhin das drittgrößte Denkmal Deutschlands, ist leider eingerüstet. Man kann seine Wirkung nur erahnen. Mir sind dieser Pathos und diese Deutschtümelei fremd, ein Kaiser Wilhelm I. erst recht, so dass ich dem Denkmal etwas ratlos gegenüberstehe. Dass es von einem Kriegerbund errichtet wurde, macht es nicht sympathischer. Überrascht sind wir, im Denkmal auf die Nationalhymne der DDR zu stoßen. Offenbar gehören die Reliefs jetzt zum Kulturerbe des Denkmals, und das ist gut so. Die Aussicht vom Turm auf die herbstlichen Wälder und Felder ist jedoch herrlich. Wir besichtigen kurz die alte Reichsburg wandern über deren Unterburg zum Parkplatz zurück.
In der Barbarossahöhle
Unser nächstes und letztes Ziel für heute ist die Barbarossahöhle im Kyffhäuser. Wir erwischen die letzte Führung vor den Helloween-Führungen am heutigen späten Nachmittag und Abend.
Die Anhydrit– bzw. Gipshöhle unterscheidet sich von allen Höhlen, die wir bisher sahen. Sie ist mausgrau. So grau, dass es schon wieder schön ist. Das Anhydrit wird in der Luftfeuchtigkeit zu Gips umgewandelt. Da es dabei sein Volumen vergrößert, hängen große Gipslappen von der Decke. Es sieht aus, als ob jemand die Tapete herunter gerissen hätte.
Als wir die Höhle verlassen, senkt sich die Dämmerung gerade auf das Kyffhäusergebirge herab. Für uns ist es Zeit, nach Hause zu fahren.
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Detlef Stapf
12. Januar 2014 @ 21:33
Wunderbare Orte, die man in der Tour zu den Mythen der Harzregion erleben kann http://kulturreise-ideen.de/literatur/sagen-maerchen-legenden/Tour-mythen–mystik-im-harz.htmlÂ
Hiltrud Hornung
25. April 2022 @ 19:47
eine wunderbare Beschreibung und tolle, aufschlussreiche Fotos ,
vielen Dank ….das muss man erleben ….wir fahren hin !